Traditionelles Karate vs Wettkampf-/Sport-Karate

Traditionelles Karate versus Wettkampf-/Sport-Karate

Jeder, der nicht gerade in bunten Anzügen Karate praktiziert, nennt sein Karate „traditionell“. Wer sich jedoch intensiv mit dem Ursprung und dem Geist des Karate beschäftigt, kommt allenfalls zu einer ganz anderen Auffassung.

Die Philosophie des Traditionellen Karate (Budo-Karate)

Sensei Gichin Funakoshi (1868-1957) ist  “Vater” des heute bekannten japanischen Karate-Do und Gründer des weltweit am meisten praktizierten Karate-Stils „Shotokan“. Er war zeitlebens gegen jegliche Wettkampfausrichtung mit Karate-Turnieren gewesenOberstes Ziel in der Kunst des Karate ist weder Sieg noch Niederlage, sondern liegt in der Vervollkommnung des Charakters des Ausübenden.” (dies entspricht auch dem Leitspruch der Japan Karate Association [JKA], siehe auch Geschichte des Karate).

Masatoshi Nakayama (1913 – 1987) gründete 1949 die Japan Karate Association (JKA), um Karate als Kampfsport mit sportlichen Wettkämpfen zu verbreiten. Gichin Funakoshi verweigerte ihm seine Unterstützung – trotzdem ernannte ihn die JKA zum “Ehrenausbilder”. Eine “Ehre”, die Funakoshi allerdings nie annahm. Dass es heutzutage Verbände und Schulen gibt, die ausgerechnet an Karate-Turnieren ein grosses Bild von Sensei Funakoshi aufhängen, ist grotesk und bedenklich. Wir fragen uns, ob solche Karatekas sich überhaupt je mit den Aussagen und dem Leben von Funakoshi auseinandergesetzt haben.

„Im Karate gibt es keinen ersten Angriff“ („Karate ni sente nashi”) lautet ein zentraler Satz von Sensei Funakoshi, der bei Wettkämpfen und Turnieren im Wettkampf-Karate nicht angewendet werden kann, da sonst kein Turnierkampf stattfinden würde. „Karate ni sente nashi“ ist jedoch die wohl wichtigste Regel von  Funakoshi und wurde sogar in seinen Grabstein gemeisselt.

Die Philosophie des Traditionellen Karate (Budo-Karate) ist völlig konträr zum Wettkampf-/Sport-Karate bzw. zum Wettkampfsport und Leistungssport im Karate.

Ziel von Meisterschaften und Karate-Turnieren im Wettkampf-Karate ist das Gewinnen mit Medaillen und Pokalen. Auf diese Weise degradiert sich Karate zu einer gewöhnlichen Sportart. Ehrenkodex, EthikSelbstverteidigung und Nahkampf, GesundheitMeditationEnergie und Spiritualität und weitere Techniken des Karate haben dann meist keinen Platz mehr. Die im Kumite in Karate-Wettkämpfen erlaubten Techniken ist ein winziger Bruchteil aus dem Arsenal der Techniken des Traditionellen Karate.

karate
Foto:benedix/http://www.shutterstock.com

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Traditionelles Karate ist eine Lebensschule für Körper und Seele

“Karate (Karate-do = jap. Weg der leeren Hand) ist eine Kampfkunst, eine der effizientesten Selbstverteidigungs- und Nahkampfkünste, eine Lebensart mit einer Philosophie, die auch geistige Aspekte beinhaltet. Karate ist nicht nur eine physische Disziplin und wird auch nicht nur im Dojo (Trainingsraum) praktiziert. Karate wird in jeder täglichen Aktivität geübt mit z.B.: Ehrlichkeit, Respekt, Höflichkeit, Geduld, Verbesserung der Herzqualität … all das und MEHR ist Karate.” Kampfsportschule Aarau

Trainieren Leistungssportler vor allem auch wegen des Egos? Können sie sich bedauerlicherweise nur durch Leistung definieren? Wie auch immer, die Philosophie aller traditionellen Kampfkünste lehren, das Ego zu verkleinern um Uneigennützigkeit und Herzqualität zu verbessern.

Leistungssport kann nur im jungen Alter praktiziert werden. Dies ist der Grund, weshalb viele Karate-Leistungssportler nach ihrer Wettkampfzeit oder häufig schon vorher, sobald sie verlieren, aufhören. Traditionelles Karate kann man jedoch das ganze Leben praktizieren, auch in hohem Alter noch.

Doch nicht nur das: Das Training im Traditionellen Karate besteht aus viel mehr Techniken und ist nach unserer Meinung daher deutlich vielseitiger und abwechslungsreicher als ein Wettkampf-Training.

Traditionelles Karate
Die sieben Tugenden des Bushido

Gi (義): Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit
Rei (礼): Respekt, Höflichkeit
Yu (勇): Mut
Meiyo (名誉): Ehre
Jin (仁): Barmherzigkeit
Makoto (誠):Wahrheit, Wahrhaftigkeit
Chū (忠): Loyalität

Wettkampf-/Sport-Karate versus reale Selbstverteidigung

Traditionelles Karate als Selbstverteidigung und Martial Arts Reale und effiziente Selbstverteidigungs-Techniken im Traditionellen Karate

Wettkampf-Karate (Sport- oder Leistungssport-Karate, Karate-Turniere) hat wenig Gemeinsamkeiten mit realer Karate-Sebstverteidigung. Oder anders gesagt: Wettkampforientiertes Sport-Karate in Karate-Turnieren ist für die reale Selbstverteidigung und Nahkampf unbrauchbar.

Im Zweikampf (Kumite) bei Wettkämpfen und Meisterschaften werden nur ein paar wenige Karate-Techniken verwendet (ein paar Arten von Faustschlägen und Fusstritten, selten auch Fussfeger). Gefährliche Techniken sind verboten. Vorwiegend sieht man in Kumite-Wettkämpfen die beiden Fausstschläge Gyaku-Zuki und Kizami-Zuki. Kumite im Wettkampf-Karate (Sport- oder Leistungssport-Karate) besteht in der Regel nur aus einer Handvoll Karate-Techniken. Ob die Techniken eine Wirkung hätten, ist nicht relevant – dies ist gleich in den Kategorien Kata (Formen).

Zudem gibt es im Ernstfall keine Kategorien oder Gewichtsklassen. Frauen müssen sich in der Selbstverteidigung gegen Männer wehren und meist auch gegen Gegner, die körperlich überlegen sind. Dojos, in denen intensiv Wettkampf trainiert wird, ist leider meist kein Platz für Selbstverteidigungs- und Nahkampf Training oder für die Philosophie und geistigen Aspekte des Karate-Do.

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Makiwara

Das Makiwara ist ein Schlagpfosten (jap. 巻藁, mit der Bedeutung maki – Rolle, umrollen und wara – Stroh). Geübt werden am Makiwara vor allem Schlagtechniken mit der Faust. Grundsätzlich können aber auch Handkantenschläge, Hammerfaust- und Rückhand-Schläge, Ellbogentechniken oder Fußtritte daran trainiert werden. Beide Elemente vom Makiwara können aus verschiedenen Materialien bestehen.

Der Unterschied zum Boxsack ist, dass das Holzbrett zurück federt. Das Makiwara reagiert auf jeden Schlag mit einer Rückmeldung. Der Übende kann sie spüren, hören und sehen. Dies stellte besondere technische, körperliche und mentale Ansprüche an den Übenden. Entsprechend schult die Übung am Makiwara die Präzision und die Haltung, die Kraft und die Ausdauer sowie die Einstellung und die Konzentration.

Kinder und Jugendliche, die noch im (Knochen)Wachstum sind, Karate-Kas mit aktuellen Verletzungen oder Menschen mit Arthrose sollten nicht am Makiwara trainieren. Alternativ zum Makiwara können die unterschiedlichsten Arten von Schlagkissen oder Schlagpolster verwendet werden.

Traditionelles Karate

Traditionelles Shotokan Karate Kampfsportschule AarauSchlagpolster als Alternative zum Makiwara. Youtube-Short: Schlagpolster-Training im Karate der Kampfsportschule Aarau  Weitere Karate-Youtube-Shorts

Kritik an Wettkämpfen und Turnieren im Kinder-Karate

Es ist in unserer Karateschule das Ziel, dass alle Kinder stärker werden, vor allem aber auch die Schwächeren. In den Karate-Wettkämpfen und -Turnieren gewinnen jedoch meist diejenigen Kinder, die bereits schon stark sind: Die Starken werden noch stärker und die Schwachen noch schwächer!

Es ist traurig, dass sich viele Eltern und Karatelehrer dessen wahrscheinlich nicht bewusst sind, was sie schwächeren Kindern damit antun. Diese Kinder kommen schon in der Schule unter die „Räder“ und es sind zum Teil die gleichen, die im Wettkampf wieder unter die „Räder“ kommen. Dies entspricht nicht dem oben erwähnten Ziel des Traditionellen Karate “Oberstes Ziel in der Kunst des Karate ist weder Sieg noch Niederlage, sondern liegt in der Vervollkommnung des Charakters des Ausübenden.” (Leitspruch der Japan Karate Association (JKA) 

Sport-Karate Wettkampf-Karate

Im Sport-Karate gibt es bei Wettkämpfen und Turnieren pro Kategorie nur einen Sieger und zwei weitere Podestplätze. Doch was ist mit der Mehrheit der Kinder, die verloren hat? Über diese spricht niemand und Bilder dazu sieht man in der Regel auch keine. Karate-Trainer sagen oft zu denjenigen Kindern, die im Wettkampf-Karate verlieren: Wichtig ist nicht das Gewinnen, sondern gut zu kämpfen. Wirklich? Vielleicht gut gemeint, doch weder hilfreich noch ehrlich. Eine Fussballmannschaft, die ständig gut spielt und den Ball nicht ins Tor bringt, ist und bleibt eine Verlierermannschaft.

Und hier liegt der Unterschied zum Traditionellen Karate. Jedes Kind, ob stark oder schwach, kann stärker werden! Hier praktiziert jeder für sich selber – nicht für den anderen und nicht zum Gewinnen, höchstens über sich selber: „Der wahre Sieg ist der Sieg über sich selbst.” Masakatsu Agatsu 

Die Kampfsportschule Aarau praktiziert traditionelles Karate als Kampfkunst (Budo) und nicht als Wettkampf-/Sport-Karate oder Leistungsport. 

Ausschnitt einer Karate-Demonstration von Kindern der Kampfsportschule Aarau

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Nachteile und Risiken von Leistungssport im Karate

Ob eine Arznei nutzt oder schadet, hängt von der Dosierung ab. So ist es auch beim Karate: Im rechten Mass hält das Training gesund und schützt vor Krankheiten. Doch besteht die Gefahr, dass Karatekas ihren Körper durch übertriebenen Ehrgeiz überfordern. Dadurch werden nicht nur die Organe, sondern auch Knochen, Sehnen und Gelenke überlastet.

Bei übertriebenem Training schaltet der Körper auf  Reserve und der Körper bezieht seine Energie von den Reserven. Dies bemerkt der Karateka dann, wenn er wegen zu wenig Kraft die Karate-Techniken nicht mehr korrekt ausführen kann. Übertriebenes Karate-Training kann – je nach körperlicher Konstitution – Raubbau am Körper bedeuten und Auswirkungen können später eintreffen, wenn man älter ist.

Wikipedia

„Durch Leistungssport bedingte körperliche Schäden, die sich unter Umständen erst nach Karriereende bemerkbar machen, können auftreten.

  • Durch Übertraining kann die Leistungsfähigkeit sinken.
  • Durch falsche Technik oder Bewegungsabläufe können Gelenke, Sehnen oder Muskeln Schaden nehmen (z. B. Tennisarm).
  • Unausgewogene (d. h. nicht an das Training angepasste) Ernährung kann zu Mineralstoffmangel (z. B. Eisenmangel) führen.
  • Sportverletzungen können zu bleibenden Schäden führen, wie zum Beispiel bei Joachim Deckarm.
  • Plötzlicher Herztod beim Sport“

Dr. Hiromi Shinya, japanischer Arzt und Bestseller-Autor:

„Übertriebener Sport bringt hundert Schäden, aber keinen Nutzen.“

“Versuchen Sie sich in Erinnerung zu rufen, wie Marathonläuferrinnen aussehen. Sie sind extrem mager und haben eine flache Brust und schmale Hüften. Das hängt zusammen, dass ihr Körper nicht mehr genügend weibliche Hormone produziert. …Wenn Sie Ihren Körper zu einseitig und zu extrem belasten, kollabiert die Homöostase. Für Ihren Körper ist es besser, wenn Sie in allem das richtige Mass halten. „Mass halten“, bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, etwas halbherzig zu tun, sondern sich sportlich so zu betätigen, wie es am besten zu Ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit, Ihrer Lebensweise und Ihrer mentalen Verfassung passt.”

Situation heute

Früher gab es Karate-Schulen und -Vereine in der Schweiz (vielleicht auch heute noch), die ihre Mitglieder zur Teilnahme an Karate-Turnieren „fast gezwungen“ oder genötigt haben („Wenn Du am/an den Karate-Turnieren nicht teilnimmst, kannst Du die nächste Gurt-Prüfung nicht machen!“). Dass dies eine gravierende Verletzung jeglicher Ethik und Philosopie des Traditionellen Karate und Budo ist, haben mittlerweile zum Glück die meisten Karate-Trainer eingesehen, auch solche die Sport-Karate betreiben.

Situation heute: Die meisten Karate-Schulen und -Clubs bezeichnen ihr Karate als Traditionelles Karate. In Wahrheit trainieren sie jedoch eine Mischung aus Traditionellem Karate und Wettkampf-Karate.

Die Teilnahme an Karate-Turnieren hat in den letzten Jahren und -Jahrzehnten laufend abgenommen. Etliche Karate-Turniere mussten in der Vergangenheit in der Schweiz infolge zu geringer Anmeldezahl abgesagt werden. Die Gründe sind sehr verschieden. Ein Grund ist: Viele Karatekas und Eltern sind nicht mehr bereit, am Wochenende quer durch die Schweiz zu fahren für einen – im schlimmsten Fall bei frühzeitigem Ausscheiden – Turniereinsatz von nur ein paar Minuten und Wartezeit von X-Stunden.

Im Gegensatz dazu hat das Interesse an traditionellem Karate als Martial Arts zugenommen. Die Kampfsportschule Aarau betreibt seit über 25 Jahren kein Sport- oder Wettkampf-Karate mehr. Wir fokussieren uns auf das traditionelle Karate (Budo-Karate) für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Unsere Erfahrungen sind sehr positiv. Dies gibt uns die Motivation, uns in diesem Bereich ständig weiter zu entwickeln – sei es im technischen und/oder geistigen Bereich.

kampfsportschule aarauKarate-Kids der Kampfsportschule Aarau mit Instruktoren-Team

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Buchempfehlung

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„Dieses Werk, aus dem eine ebenso vergessene wie wertvolle Vergangenheit zu uns spricht, ist eine Einladung, dem Weg des ‚vollendeten Menschen‘ zu folgen, welcher der wahre Weg des Karatedo ist. Soke Mabuni geht sogar über diesen Weg hinaus, indem er Verbindungen zu buddhistischer, taoistischer und konfuzianischer Spiritualität knüpft. Möge seine Botschaft gelesen und verstanden werden.“ (Roland Habersetzer, 9. Dan Karatedo, Soke, Tengu ryu)

Kapitel 4 „Kritik am Budo unserer Zeit“ ist als Buchauszug hier downloadbar

Traditionelles Karate

traditionelles karateDer Tiger, Symbol des Shotokan Karate, des weltweit am meisten verbreiteten Karate-Stils, der auch an der Kampfsportschule Aarau ausgeübt wird.

“Der wahre Sieg ist der Sieg über sich selbst.” Masakatsu Agatsu 

Anmerkung:

Diese Seite widerspiegelt die Meinung und Sichtweise der Kampfsportschule Aarau und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir wollen niemanden von unserer Philosophie überzeugen und respektieren auch Karateschulen, die Karate mit Wettkämpfen und/oder als Wettkampf-Karate oder sogar als Leistungssport betreiben.

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Infos zum Kampfkunst-Angebot der Kampfsportschule Aarau

Karate an der Kampfsportschule Aarau
Kinder-Karate an der Kampfsportschule Aarau
Kobudo an der Kampfsportschule Aarau

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